Integration statt Frust mit dem UnterrichtSpreitenbach Nach den Ferien wird der Deutschunterricht der Unter- und Mittelstufe auf drei Niveaus geführt Was tun, wenn das Niveau der Schule sinkt, weil zu viele die Unterrichtssprache nicht genügend verstehen? Die Spreitenbacher Schulpflege geht neue Wege.
Petra Mühlhäuser Wie soll man einem Kind Sätzlirechnungen erklären, wenn es die Sprache nicht versteht? Einige Spreitenbacher Schulklassen der Unter- und Mittelstufe (1. bis 5. Klasse) bestehen bis zu 80 Prozent aus Kindern, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Vor allem Richtung Dietikon besteht das Problem, im Schulhaus Seefeld. Insgesamt sprechen 47 Prozent der Spreitenbacher Schulkinder nicht deutsch zu Hause. Keine leichte Aufgabe für Lehrerinnen und Lehrer: den einen Deutsch beibringen und gleichzeitig allen zusammen den üblichen Lehrplan-Stoff vermitteln - das ist nicht einfach. Die Folgen davon sind gemäss Rolf Hunziker, langjährigem Präsidenten der Schulpflege Spreitenbach: Das Niveau sinkt, die deutschsprechenden Kinder langweilen sich und entwickeln Aggressionen gegen Ausländerkinder. Diejenigen, die wegen der Sprache Mühe haben in der Schule, müssen nicht selten in die Realschule gehen, sind demotiviert und schwänzen. Einige würden Bestätigung in der Störung des Unterrichts suchen oder im Klauen, so Hunziker.
Mehr Lehrer, mehr SchulraumNach den Schulferien startet in Spreitenbach ein neues Modell für den Deutschunterricht an Unter- und Mittelstufe. Für vorläufig drei Jahre werden die Schülerinnen und Schüler der zweiten bis fünften Klasse zwei der fünf wöchentlichen Deutschstunden in Gruppen absolvieren. Drei Stufen werden geführt. Das System soll durchlässig sein, das heisst, die Kinder sollten die Gruppe wechseln können, wenn sie über- oder unterfordert sind. Das niedrigste Niveau wird von den Hauptlehrern der jeweiligen Klasse geführt - aus Gründen der Disziplin. Für die beiden oberen Niveaus wurden Lehrkräfte der Deutsch-Zusatzstunden übernommen. Zudem benötigte man noch zusätzliche Lehrerstellen, die vom Kanton bewilligt werden mussten. Auch zusätzlicher Schulraum im reformierten Kirchgemeindezentrum wurde organisiert. In anderen Gemeinden wurden schon gänzlich gesonderte Klassen für nicht deutschsprechende Kinder gefordert. Das würde die Integration erschweren und kommt deshalb für Rolf Hunziker nicht in Frage. Das Spreitenbacher Modell soll im Gegenteil die Integration fördern, indem Frustrationen vorgebeugt wird und nach wie vor sämtliche Kinder dieselben Klassen besuchen. Zustande gekommen ist es bei einer Retraite von Schulpflegern, Lehrern und Inspektoren. In der Folge hat Hunziker zusammen mit elf Lehrern erarbeitet, wie in den drei Niveaus unterrichtet werden soll. Denn Lehrmittel für diese Art von Unterricht fehlten bisher. Für Rolf Hunziker ist das Projekt erst ein Anfang. Die ideale Lösung wäre für ihn, wenn sämtliche Fächer in Niveaus geführt würden. Wenn etwa in der Oberstufe ein Schüler den Mathematikunterricht in der Bezirksschule besuchen könnte, Französisch hingegen in der Realschule. Auf diese Art könne man die Einzelnen am besten fördern, nur dann wäre das Schulsystem wirklich gerecht. Hunziker nennt als Beispiel die alljährlichen Projektwochen: Auch bei schwachen Schülern würde sich innert einer Woche zeigen, dass sie stark in Informatik wären oder gute Handwerker, so Hunziker.
Nicht das erste ProjektDie Schulpflege Spreitenbach hat schon verschiedentlich nach Lösungen gesucht in den vergangenen Jahren. Im Schuljahr 1991/1992 teilte man einen Teil der Schülerinnen und Schüler, der nicht gut genug Deutsch konnte, in Sekundar- und Bezirksschule statt in die Real ein. Das Experiment scheiterte - gemäss Hunziker vor allem in der Bezirksschule, wo den Schülern wegen des Fachlehrersystems die Bezugsperson fehlte. In der Oberstufe werden zudem Integrationsklassen geführt, wo Ausländerkinder erst einmal Deutsch lernen, bevor sie in die Regelklasse übertreten. Ab kommendem Schuljahr wird in der Oberstufe ein weiteres neues Projekt gestartet: Die Bezirksschule Spreitenbach nimmt am Schulversuch ELF (erweiterte Lernformen) teil. Mit Gruppenarbeiten, Wochenplänen und Werkstätten statt Frontalunterricht sollen Schülerinnen und Schüler zum selbständigen Denken geführt werden.
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