(znareli)Das Eis zwischen den Inseln war in den letzten Tagen
dünner und schwächer geworden. Wer keinen triftigen
Grund hatte, zog es vor, am sicheren Ufer zu bleiben. Nur
erfahrene Eisgänger und törichte Abenteuerer wagten sich
in diesen Tagen auf das trügerische Eis hinaus. Da, wo aus
Spalten gurgelndes Wasser das Eis knöcheltief bedeckte, sahen
solche Figuren aus wie über das Wasser gehende Heilande. Mit
langen Stöcken prüften sie alle paar Schritte die
Tragfähigkeit des sich in der Frühligssonne
erwärmenden und verflüssigenden Elements unter ihren
kalten und durchnässten Stiefeln.
Allein unterwegs an diesem Abend war Hannes, der wegen seiner
südländisch anmutenden Lockenpracht der Schwarze genannt
wurde. Er war vor einigen Tagen zur weit vorgelagerten
Dödmaninsel hinaus gewandert, angeblich, um dort ein Boot zu
kaufen, das einem im letzten Herbst verstorbenen Fischer
gehört hatte. Die Wahrheit war, dass er dort draussen einer
der Inselschönheiten den Hof machen wollte. In beiden
Geschäften war er, wie ihm schien, tüchtig voran
gekommen, und er hatte zufrieden mit sich und der Welt den Heimweg
unter die Füsse genommen. Doch nun schaute er immer besorgter
über die unsichere Eisfläche und verwünschte es,
dass er nicht früher aufgebrochen war. "Das kann noch heiter
werden", brummte er vor sich hin. Er fühlte sich unsicher, da
er noch nie aus dieser Richtung auf die Insel zugegangen war, auf
der sein Dorf stand, schon gar nicht bei weichem Frühligseis.
Mit einem Pferd wäre er sicher schon längst
eingebrochen, dachte er und schaute sich in der rasch
vorrückenden Dämmerung nach Hilfe um. In der absoluten
Stille hörte er nur sein Herz schlagen, und er musste sich
mit aller Kraft zusammen nehmen, wollte er nicht in Panik
verfallen. "Da vorne sitzt doch tatsächlich einer auf einem
hölzernen Schlitten", sagte er erleichtert. Beim
Nähergehen sah er erstaunt, wie der andere mit uraltem
Gerät, wie er es noch von seinem Grossvater her kannte, vor
einem Eisloch hantierte. "Wenn einer um diese Zeit hier draussen
den Fischen nachstellt, dann muss er den Heimweg bestens kennen",
murmelte er erfreut. Die Gestalt, auf die er sich zubewegte,
kehrte ihm den Rücken zu. Sie trug einen zerschliessenen
alten Mantel mit einer Kapuze über dem Kopf. "Hallo", rief
Hannes mehrmals, doch der Kapuzenmann reagierte nicht. "Ist wohl
taub, der Alte", ging es ihm durch den Kopf. Nun war er so nahe
gekommen, dass er sehen konnte, wie dieser einen Brachsen neben
sich auf das Eis warf, den er eben von der Angel gelöst
hatte. Hannes trat hinter den Fischer und legte ihm die Hand auf
die erstaunlich kräftig und muskulös wirkende Schulter.
Langsam drehte sich die Gestalt mit der Kapuze um. Das, was Hannes
nun sah, war so schrecklich, dass ihm sein Blut im Leib gefror,
seine Haare sich im Nacken sträubten und ihm seine Augen aus
den Höhlen quollen. Unter der dunklen Kapuze verbarg
sich...kein Antlitz, kein Gesicht. Absolut nichts war da, nur
gähnende Leere. Die Leiche von Hannes wurde nach dem Eisgang
ans Land getrieben. Der schöne schwarze Lockenkopf
fehlte.